Wie tropische Wälder mit Dürre umgehen Vielfalt an Wassernutzungsstrategien von Pflanzen macht tropischen Wald widerstandsfähiger gegen extreme Dürren. Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung von drei Ökologen der Universität Innsbruck hat in einem bisher einzigartigen Großexperiment im US-amerikanischen „Biosphere 2“ die Reaktion eines Regenwalds auf Trockenphasen untersucht. Die Ergebnisse zeigen: Es ist eine Frage der Strategie. Die Studie wurde nun in Science veröffentlicht. Dürreereignisse nehmen im Zuge des Klimawandels in vielen Teilen der Erde deutlich zu und betreffen zusehends auch tropische Regionen. Wie genau reagieren ein Waldsystem und seine einzelnen Pflanzen auf extreme Dürre? Die zugrundeliegenden Prozesse zu verstehen ist maßgeblich, um Wälder widerstandsfähiger gegen zunehmende Trockenheit im Klimawandel zu machen und auch, um Klimamodelle weiter präzisieren zu können. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Christiane Werner von der Universität Freiburg hat zu dieser Frage nun im berühmten „Biosphere 2“ das weltweit bislang umfassendste Experiment durchgeführt. In diesem Forschungszentrum wurden die wichtigsten Ökosysteme der Erde in großen Gewächshäusern nachgebildet. Dort setzten die Forscher*innen einen ausgewachsenen Regenwald knapp 10 Wochen einer Dürre aus und beobachteten, welche spezifischen Strategien unterschiedliche Pflanzen gegen die Trockenheit anwenden und wie sie dabei mit anderen Pflanzen, dem Boden und der Atmosphäre interagieren. Michael Bahn, Johannes Ingrisch und Kathiravan Meeran von der Forschungsgruppe „Funktionelle Ökologie“ des Instituts für Ökologie waren vor Ort tätig und an der Versuchsplanung, der Auswertung der Daten und der Entwicklung der Publikation maßgeblich beteiligt. „Wälder sind in freier Natur sehr schwer zu untersuchen – aufgrund ihrer Größe, aber auch aufgrund der schweren Zugänglichkeit zum Beispiel im Amazonas-Gebiet. ‚Biosphere 2‘ macht das aber möglich: Wir konnten viele Prozesse im Detail untersuchen, und das ist in diesem Umfang bisher einzigartig“, beschreibt Johannes Ingrisch die Forschungsarbeit. Das Experiment wurde von Christiane Werner zusammen mit Nemiah Ladd (Universität Freiburg/Basel) und Laura Meredith (University of Arizona) koordiniert, das interdisziplinäre Team bestand aus 80 Wissenschaftler*innen aus aller Welt. Diversität macht resistent Insgesamt zeigte sich ein komplexes Zusammenwirken von unterschiedlich dürreresistenten Bäumen und Pflanzen, das ausschlaggebend dafür war, die Stabilität des gesamten Waldsystems so lange wie möglich aufrechtzuerhalten. Zudem ergab das Experiment weitere Hinweise darauf, wie sich Dürre auf die CO2-Speicherung des Waldes auswirkt und wie Gas-Emissionen von dürregestressten Pflanzen die Atmosphäre und das Klima beeinflussen können. Die Forscher*innen identifizierten vier Pflanzentypen mit unterschiedlichen Reaktionen auf die erzeugte Dürre – trockentolerante und trockenheitsempfindliche –, und in diesen beiden Kategorien große, kronenbildende Bäume sowie Unterwuchsarten. „Eine der erstaunlichsten Reaktionen beobachteten wir zwischen den großen, trockenheitstoleranten und -empfindlichen Bäumen“, erläutert Christiane Werner. „Die empfindlichen sind diejenigen, die generell am meisten Wasser verbrauchen, insbesondere aus dem Oberboden. Da dieser auch am schnellsten austrocknete, litten sie am schnellsten und am intensivsten am Wassermangel.“ Zu vermuten wäre, dass sie umgehend auch die Wasserressourcen im tiefen Boden „anzapfen“, um ihren hohen Verbrauch aufrecht zu erhalten. „Stattdessen aber“, so Werner, „drosselten sie ihren Wasserverbrauch drastisch und griffen erst unter sehr extremer Dürre auf ihre Tiefwasserreserven zurück. Damit schonten sie möglichst lange die tiefliegenden Wasserreserven, auch für die trockenheitstoleranten Bäume.“ Und diese hingegen erhielten durch ihren ohnehin geringeren Wasserdurchfluss länger ihr Blätterdach, was wiederum längere Feuchtigkeit im Unterwuchs unterstützte. Ein geschonter Unterwuchs wirkt der Austrocknung im Oberboden entgegen, von dem die trockenheitsempfindlichen Bäume stark abhängen. Das Wasser blieb durch das komplexe Zusammenwirken also länger im gesamten System und das System damit länger stabil. Damit zeige sich, dass Pflanzen in einem Waldsystem unterschiedliche und gleichsam komplementäre hydraulische Strategien evolutionär entwickeln können – und mit diesem Zusammenspiel die Widerstandsfähigkeit des gesamten Waldes gegen Trockenheit erhöhen. „Die Pflanzen schonen also unter Stress die Wasseraufnahme aus dem tiefen Boden, obwohl sie Zugang zu dieser Ressource hätten. Das so zu beobachten war für uns sehr überraschend“, beschreibt Johannes Ingrisch die für ihn erstaunlichste Erkenntnis dieser Studie. Das Innsbrucker Team war zwei Monate vor Ort im „Biosphere 2“, trug die Verantwortung für Messungen der Bodenatmung und der Stammatmung und steuerte zum umfangreichen Arsenal modernster Messgeräte unter anderem einen CO2- und einen Wasserisotopenlaser bei. Einzigartiges „Labor“ Für ihre Erkenntnisse untersuchten die Forschenden die Flüsse von Wasser, CO2 und flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), wie etwa Isopren und Monoterpene. Dafür fügten sie isotopisch markiertes CO2 und Wasser der„Biosphere 2“ bei und verfolgten dann im Verlauf des Experimentes, wie sich diese Stoffe durch Bäume, Pflanzen und Böden verteilten. So konnten die Wissenschaftler*innen unter anderem beobachten, wie intensiv der Wasserverbrauch und -durchfluss der Pflanzen war, aus welchen Bodenregionen sie wann Wasser bezogen und auch wie und wo CO2 und VOCs in den Pflanzen und Böden aufgenommen, gespeichert und in die Atmosphäre ausgestoßen wurden. Erstmals wurde ein solches Markierungsexperiment in einem kompletten Regenwald durchgeführt. Bei der Speicherung und Emission von CO2 und VOCs beobachtete das Team unter anderem, dass die Kohlenstoffspeicherung des Waldsystems sich um etwa 70 Prozent verringerte und die Pflanzen unter steigendem Dürrestress vermehrt VOCs ausstießen, die durch Wechselwirkungen in der Atmosphäre unter anderem zur Bildung von Ozon führen können. Zudem erfolgte eine Kaskade der Emissionen verschiedener VOCs, wie Isopren, Monoterpene und Hexanal, den zunehmenden Trockenstress verdeutlichte. Insbesondere Monoterpene können wiederum Wolkenkondensation und damit Regenbildung unterstützen – vermutlich als weiteren Schutzmechanismus gegen Dürre. „All diese Erkenntnisse sind insofern auch wichtig für die Klimaforschung“, so Christiane Werner. Zu dem interdisziplinären und internationalen Forschungsteam gehörten Wissenschaftler*innen aus den Bereichen Hydrologie, Ökophysiologie, Mikrobiologie, Ökologie und Atmosphärenwissenschaften. „Es war eine beeindruckende Erfahrung an diesem einzigartigen Experiment mitwirken zu können“, ist sich das Innsbrucker Team einig. Die Anlage „Biosphere 2“ erlangte in den 90er-Jahren internationale Berühmtheit durch Experimente als möglicher Lebensraum für Menschen, seit 2007 wird es von der University of Arizona ausschließlich als naturwissenschaftliche Forschungsstätte betrieben. Publikation: Christiane Werner, Laura K. Meredith, S. Nemiah Ladd, Johannes Ingrisch, Angelika Kübert, Joost van Haren, Michael Bahn, Kinzie Bailey et al: Ecosystem fluxes during drought and recovery in an experimental forest. Science 2021. DOI: 10.1126/science.abj6789 Links: Forschungsgruppe Funktionelle Ökologie der Universität Innsbruck: https://www.uibk.ac.at/ecology/functionalecology/index.html.en Wikipedia zu „Biosphere 2“: https://de.wikipedia.org/wiki/Biosph%C3%A4re_2