Pilzforschung rettet Landwirtschaft und Menschenleben Pilz-Expert*innen aus aller Welt tagen nächste Woche in Innsbruck Die Pilzforschung findet ihre Anwendungen unter anderem in Medizin, Landwirtschaft, Biotechnologie und Baubiologie. Auch an der Universität Innsbruck und der Medizinischen Universität Innsbruck werden Pilze in ihrer großen Vielfalt intensiv erforscht. Und mit der „16th Conference on Fungal Genetics” kommen nächste Woche Pilz-Expert*innen aus aller Welt in Innsbruck zusammen. Pilze liefern wertvolle Medikamente wie das Penizillin, gleichzeitig befallen sie uns als Krankheitserreger. Manche sind eine wertvolle Nahrungsquelle, andere zerstören Ernten. Sie machen Häuser unbewohnbar und liefern Baumaterialien. Genauso vielfältig wie die Welt der Pilze ist auch ihre Wissenschaft, die Mykologie. Das zeigt allein das Beispiel der Siderophore. Diese Moleküle werden von Pilzen ausgeschieden, um sich mit lebensnotwendigem Eisen zu versorgen. Siderophore werden an der Universität Innsbruck und an der Medizinischen Universität Innsbruck erforscht – und finden ihre Anwendungen sowohl im Bio-Pflanzenschutz als auch in der Humanmedizin. Bio-Pflanzenschutz und Krebsdiagnostik Am Institut für Mikrobiologie der Universität Innsbruck erforscht die Arbeitsgruppe von Prof. Susanne Zeilinger-Migsich den Schimmelpilz Trichoderma. Dieser kommt im Boden vor und ist ein sogenannter Mykoparasit: ein Pilz, der andere Pilze befällt und sich von ihnen ernährt. Das macht ihn für die Landwirtschaft interessant, denn als natürlicher Pflanzenschutz kann Trichoderma andere Pilze bekämpfen, die sonst Pflanzen infizieren würden. Durch die menschengemachte Klimakrise werden neue Pilzschädlinge, auf die heimische Pflanzen nicht vorbereitet sind, zu einem zunehmenden Problem für die Ernährungssicherheit. Deswegen werden anpassungsfähige und umweltschonende Schutzmittel wie Trichoderma immer wichtiger. Im Kampf Pilz gegen Pilz spielen die eisenbindenden Siderophore eine zentrale Rolle, denn Eisen ist lebensnotwendig, aber die verwertbaren Mengen im Boden sind gering. Siderophore und andere, teilweise antibiotische Stoffwechselprodukte funktionieren einerseits wie eine chemische Sprache, über die Pilze untereinander kommunizieren. Andererseits wird mit diesen Stoffen auch um Ressourcen wie Nährstoffe und eben auch Eisen gekämpft. „Durch die Untersuchung der Siderophorbildung und der damit verbundenen Gene wollen wir besser verstehen, wie Trichoderma schädliche Pilze angreift. Damit könnten wir verbesserte Stämme züchten, die in Zukunft zu einem noch besseren Pflanzenschutz führen“, sagt Zeilinger-Migsich. Am Institut für Molekularbiologie der Medizinischen Universität Innsbruck erforscht die Arbeitsgruppe von Prof. Hubertus Haas diese Stoffe aus humanmedizinischer Sicht. „Jährlich sterben rund 1,5 Millionen Menschen an Pilzinfektionen“, sagt Haas. „Für Personen mit einem geschwächten Immunsystem besteht ein hohes Risiko für lebensbedrohliche Infektionen mit dem Schimmelpilz Aspergillus fumigatus, die sogenannte Aspergillose. Die Diagnose und Behandlung einer solchen Infektion ist nach wie vor eine Herausforderung.“ Aber: die Erforschung des Eisenstoffwechsels der Pilze verspricht neue Möglichkeiten zur Therapie und Diagnose von Pilzerkrankungen. So konnte gezeigt werden, dass Aspergillus fumigatus Siderophore braucht, um sich bei einer Infektion überhaupt verbreiten zu können. Stoffe, welche die Produktion von Siderophoren hemmen, könnten also als Medikamente gegen Pilzinfektionen dienen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass Siderophore auch für die Diagnose von Pilzerkrankungen nützlich sein könnten, entweder über den Nachweis der vom Pilz ausgeschiedenen Siderophore im Harn oder über bildgebenden Nachweis von Pilzinfektionen mit Hilfe der sogenannten Positronen-Emissions-Tomographie (PET), eine Nachweismethode, wie man sie aus der aus der Krebsdiagnostik kennt. Dafür werden Siderophore so manipuliert, dass sie nicht Eisen binden, sondern Gallium, das durch PET erkannt wird. Internationaler Kongress tagt in Innsbruck Die gewaltige Vielfalt der Mykologie, hier mit nur einem Beispiel illustriert, findet nächste Woche zwischen 5. und 8. März auf der 16th European Conference on Fungal Genetics im Congress Innsbruck zusammen. Führende internationale Expert*innen und Nachwuchswissenschaftler*innen tauschen sich hier über den neuesten Forschungsstand aus. Die Konferenz hat eine mehr als 30-jährige Tradition und ist mit durchschnittlich rund 800 internationalen Teilnehmer*innen die größte Veranstaltung in Europa auf diesem Gebiet. Organisiert wird sie heuer von Susanne Zeilinger-Migsich und Hubertus Haas im Namen der beiden Universitäten und dem Congress Innsbruck. An der Universität Innsbruck reicht der mykologische Schwerpunkt bis in die 1970er Jahre zurück. Zahlreiche Wissenschaftler*innen der beiden Innsbrucker Universitäten sind deshalb auch im lokalen wissenschaftlichen Komitee vertreten und an der Organisation des ECFG16 beteiligt. „Wir freuen uns, dass es gelungen ist, diese renommierte Konferenz nach lnnsbruck zu holen“, sagt Zeilinger-Migsich. „Dies ist einerseits der Attraktivität unseres Standortes, sicherlich aber auch der überdurchschnittlich hohen Anzahl an wissenschaftlichen Arbeitsgruppen an der Universität Innsbruck und der Medizinischen Universität zu verdanken, die sich mit verschiedensten Aspekten von Pilzen beschäftigen.“ Die zahlreichen Vorträge und Workshops drehen sich unter anderem um Evolution und Biodiversität, Biotechnologie, Wechselwirkungen mit Menschen, Tieren, Pflanzen und anderen Pilzen, Zellbiologie, Stoffwechsel und Physiologie, Krankheiten und Arzneimittel, molekulare Werkzeuge, Genetik und Epigenetik. Die Teilnahme von in der Industrie tätigen Wissenschaftler*innen und Expert*innen wird außerdem durch neue Kontakte den Grundstein für die wichtige Zusammenarbeit von Wissenschaft und biotechnologischer Industrie legen. „Dass die 16. Konferenz in Innsbruck stattfindet, wird den Wissenschaftsstandort Tirol mit seinen in der Pilzforschung tätigen und international bekannten Einrichtungen noch weiter stärken und den Ausbau überregionaler und internationaler Forschungskooperationen fördern“, so Zeilinger-Migsich.