Neu entdeckter natürlicher Prozess lässt Wolken wachsen Natürliches Isopren sorgt auch in emissionsarmen Zeiten für die Bildung von Wolken. Tropische Wälder geben große Mengen von Isopren in die Atmosphäre ab. Dessen Beitrag zur Wolkenbildung wurde bisher als vernachlässigbar angesehen. Ein internationales Forschungsteam zeigt nun in der Fachzeitschrift Nature, dass Isopren die Bildung zahlreicher neuer Partikel in weiten Teilen der oberen Troposphäre der Tropen fördert. Nach dem Absinken in tiefere Luftschichten können diese Kondensationskeime die Bildung von Wolken auslösen und die Strahlungsbilanz der Erde stark beeinflussen. Dieser Prozess war bisher so nicht bekannt und wird in aktuellen Klimamodellen nicht berücksichtigt. Im internationalen Großexperiment CLOUD am CERN in Genf wird im Labor untersucht, wie sich Aerosolpartikel aus reaktiven Gasen unter Bedingungen wie in der Atmosphäre bilden und wie sie wachsen. Hier können die Keimbildung und die Wachstumsraten von diesen Schwebeteilchen aus genau kontrollierten Dampfmischungen bei extrem niedrigen Konzentrationen, und bei Bedingungen wie sie in der Atmosphäre vorkommen, gemessen werden. Dafür hat die Forschungsgruppe um Armin Hansel am Institut für Ionenphysik und Angewandte Physik der Universität Innsbruck in enger Zusammenarbeit mit dem Spin-Off-Unternehmen Ionicon Analytik GmbH spezielle Messverfahren entwickelt. Das Team um Hansel gilt im Feld der Spurenanalytik als internationaler Pionier, da diese technische Innovation aus Tirol in Echtzeit Resultate mit extrem hoher Nachweisempfindlichkeit liefert. Ursprung der Partikel bisher ein Rätsel In neuen CLOUD-Experimenten hat ein internationales Team von Wissenschaftler:innen nun die Bildung neuer Partikel durch die Oxidation von Isopren bei Temperaturen von minus 30°C bis minus 50°C untersucht. In den vergangenen 20 Jahren haben Messungen mit Flugzeugen gezeigt, dass sich in der oberen tropischen Troposphäre über dem Amazonas, dem Atlantik und dem Pazifik weit verbreitete neue Partikeln bilden. Deren Ursprung blieb bisher aber ein Rätsel. Jüngste Satellitenbeobachtungen hatten jedoch überraschend hohe Werte von Isopren in der oberen Troposphäre der Tropen ergeben, weshalb die Forscher:innen ihre Aufmerksamkeit nun auf dieses Molekül richteten. Isopren wird von Bäumen in großen Mengen freigesetzt und ist mit einer halben Milliarden Tonnen pro Jahr nach Methan der am häufigste in die Atmosphäre abgegebene Kohlenwasserstoff. Bisher ging man jedoch davon aus, dass Isopren in Bodennähe die Partikelbildung eher verhindert. Im Amazonasbecken emittiert die Biosphäre besonders viel Isopren, das durch starke konvektive Aufwinde in der Nacht in die obere Troposphäre gelangt und dort am nächsten Morgen nach dem Sonnenaufgang rasch Oxidationsprodukte bildet. Das Forschungsteam hat nun in der CLOUD-Wolkenkammer festgestellt, dass Oxidationsprodukte von Isopren bei Bedingungen wie in der oberen Troposphäre Kondensationskeime bilden, ohne dass dafür andere Moleküle erforderlich sind. Darüber hinaus wird die Rate, mit der diese Keime gebildet werden, durch extrem niedrige Konzentrationen von Schwefelsäure, die in der oberen Troposphäre allgegenwärtig ist, um das Hundertfache erhöht. „Es hat sich gezeigt, dass die Oxidationsprodukte der Isopren-Moleküle bei diesen geringen Temperaturen auch das schnelle Wachstum von Partikeln bis zu einer Größe vorantreiben, bei der sie die Bildung von Wolken auslösen und damit das Klima beeinflussen können“, fasst Armin Hansel das überraschende Ergebnis zusammen. „Diese schnellen Keimbildungs- und Wachstumsraten wurden auch in Gegenwart von Stickstoffoxiden, die in der oberen Troposphäre durch Blitze entstehen, beobachtet.“ Einfluss auf Klimamodellierung und Prognosen Bestätigt werden diese Beobachtungen durch eine zweite Studie, die gleichzeitig im Fachmagazin Nature erschienen ist. Darin wird über Beobachtungen vom deutschen Forschungsflugzeug HALO über dem Amazonas berichtet. „Beide Arbeiten zeigen die Bedeutung von Isopren für die Neubildung von Partikeln und deren Relevanz für die Atmosphäre“, betont Armin Hansel. Nach dem Wachstum in der oberen Troposphäre und dem Absinken in niedrigere Höhen sind diese Partikel eine weltweit wichtige Quelle von Wolkenkondensationskerne für Wolken über den Kontinenten und Weltmeeren. Diese wiederum beeinflussen die Strahlungsbilanz der Erde stark. Isopren aus Wäldern stellt daher eine wichtige Quelle biogener Partikel dar, die derzeit in Klimamodellen nicht berücksichtigt ist. „Dies deutet darauf hin, dass die Biosphäre in der unberührten vorindustriellen Atmosphäre in größerem Umfang als bisher angenommen Wolkenkondensationskerne produzierte“, sagt Armin Hansel. „Das bedeutet, dass die Biosphäre möglicherweise besser in der Lage ist, den Rückgang der Aerosole durch den Ausstieg aus schwefelhältigen fossilen Brennstoffen und die damit einhergehende Erwärmung in diesem Jahrhundert teilweise abzufangen, wenn die Schwefeldioxidwerte durch Emissionskontrollen sinken.“ Aerosolpartikel kühlen das Klima, indem sie das Sonnenlicht direkt reflektieren und das Wachstum von Wolken auslösen. Mehr als die Hälfte der Aerosolpartikel entsteht durch die spontane Kondensation von Gasen. Das weltweit wichtigste Gas ist vermutlich Schwefelsäure, die sich in der Atmosphäre durch Oxidation von Schwefeldioxid bildet. Die Emissionen aus fossilen Brennstoffen haben seit der vorindustriellen Zeit zu einer Zunahme von Aerosolen und Wolken geführt, deren Rolle ist aber immer noch nicht ausreichend erforscht und in globalen Klimamodellen zu wenig berücksichtigt. Der Abkühlungseffekt von Aerosolen und Wolken wird auf etwa die Hälfte der Erwärmung durch den Anstieg von Kohlendioxid geschätzt, allerdings mit großen Unsicherheiten. „Eine Vorhersage, wie sehr der Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und der damit verbundene Rückgang der menschengemachten Emissionen und Aerosole zu einer zusätzlichen Erwärmung führt, ist extrem schwierig“, sagt Armin Hansel. „Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie Aerosolpartikel aus natürlichen Quellen entstehen. Denn sie werden an Bedeutung gewinnen, wenn der Schwefeldioxidgehalt durch Emissionskontrollen gesenkt wird.“ Publikation: New particle formation from isoprene under upper tropospheric conditions. Shen, J., et al. Nature 2024 DOI: 10.1038/s41586-024-08196-0 In unserem Podcast „Zeit für Wissenschaft“ erzählt Armin Hansel ausführlich über seine Mitarbeit am CLOUD-Projekt: https://www.uibk.ac.at/de/podcast/zeit/sendungen/zfw008/