04.03.2022 | 1 Bild

Klimawandel lässt Gletscherseen in Hochasien gefährlich anwachsen

Imja Tsho © D. Rounce

Imja-Tsho-Gletschersee in Nepal. 2016 wurde der See um vier Millionen Kubikmeter entwässert, da er zu gefährlich wurde.

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Ein Forscher-Team der Universität Innsbruck und der Humboldt-Universität zu Berlin rechnet mit einer potenziell starken Zunahme des Wasservolumens durch schmelzende Gletscher in Hochasien. Dadurch steigt auch die Gefahr für Katastrophen wie Dammbrüche. Der Glaziologe Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften modellierte die Gletscherentwicklung in der im Journal „Frontiers in Earth Science“ erschienenen Studie.

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Ein Forscher-Team der Universität Innsbruck und der Humboldt-Universität zu Berlin rechnet mit einer potenziell starken Zunahme des Wasservolumens durch schmelzende Gletscher in Hochasien. Dadurch steigt auch die Gefahr für Katastrophen wie Dammbrüche. Der Glaziologe Fabien Maussion vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften modellierte die Gletscherentwicklung in der im Journal „Frontiers in Earth Science“ erschienenen Studie.

Wo Gletscher schmelzen, können Gletscherseen entstehen – oftmals mit sehr instabilen Ufern und großem Gefahrenpotential. Als Folge eines Dammbruchs oder durch Flutwellen nach Lawinenabgängen oder Felsstürzen können sich enorme Wassermassen ins Tal ergießen, die noch viele Kilometer stromabwärts große Zerstörungskraft besitzen. Modellrechnungen mit neuesten Daten zeigen nun, dass sich in den Gebirgen Hochasiens als Folge des Klimawandels derart viele neue Gletscherseen bilden könnten, dass sich das in ihnen enthaltene Wasservolumen im Verlauf dieses Jahrhunderts gegenüber heute verzehnfachen könnte. Das würde zu einer Zunahme von Naturkatastrophen durch Gletscherseeausbrüche führen, die verheerend sein können. Mithilfe präziser Berechnungen konnten die Forscher diese Szenarien nun besonders genau modellieren.

Klimamodell und eisdynamisches Modell gekoppelt

„Wir haben in dieser Studie erstmals ein eisdynamisches Modell verwendet. Das heißt, dass wir eine physikalische Simulation der Bewegung des Gletschereises durchführten. Dadurch wird ersichtlich, wie und wo sich der jeweilige Gletscher zurückziehen wird“, erklärt Fabien Maussion. Der Klimaforscher ist federführend in der Anwendung und Weiterentwicklung des Open Global Glacier Model OGGM in Innsbruck engagiert. Dabei handelt es sich um das erste offen zugängliche globale Modell zur Simulation der Entwicklung aller Gletscher weltweit. Es ist in der Lage, vergangene und künftige Massenbilanzen, das Volumen und auch die Geometrie von fast jedem Gletscher der Erde darzustellen.
Gletscherseeausbrüche (glacial lake outburst floods – kurz: GLOF) zählen zu den gefährlichsten Naturkatastrophen in Hochgebirgen. Besonders in Hochasien sind die plötzlichen Flutwellen, die erhebliche Schutt- und Wassermassen bis zu 100 Kilometer weit transportieren können, eine Bedrohung für die Bevölkerung sowie für kritische Infrastruktur. GLOF fordern im weltweiten Vergleich die meisten Todesopfer in Hochasien. In der nun veröffentlichten Studie wurden Daten jüngster Klimamodelle und topographische Daten des Felsuntergrundes mit einem eisdynamischen Modell gekoppelt. Die Modellrechnungen zeigen, dass aufgrund des Klimawandels die Anzahl von Gletscherseen in Zentralasien im Verlauf des 21. Jahrhunderts stark zunehmen könnte. Das Wasservolumen der Gletscherseen könnte sich demnach sogar von knapp 4 km3 im Jahr 2018 auf über 40 km3 im Jahr 2100 verzehnfachen. „Dass die zunehmende Gletscherschmelze mehr Gletscherseen entstehen lassen wird, ist seit langem bekannt. Das enorme Ausmaß und der genaue Verlauf dieser Zunahme wird jedoch erst jetzt deutlich“, sagt Wilhelm Furian, Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes und Doktorand am Geographischen Institut der Humboldt-Universität sowie Erstautor der Studie. „Auch wenn die Zusammenhänge zwischen der Zunahme von Gletscherseen und GLOF nicht restlos geklärt sind, würde eine solche Steigerung schwerwiegende Konsequenzen für weite Teile der Hochgebirge in Asien haben“, ergänzt Co-Autor Prof. Christoph Schneider, Vizepräsident für Forschung an der Humboldt-Universität.

Eindämmung des CO2-Ausstoßes entscheidend

Das untersuchte Gebiet ist sehr heterogen: Da in südöstlichen Teilen des Himalayas die Gletscherschmelze bereits weit fortgeschritten ist, fällt die relative Zunahme an Seefläche und -volumen dort vergleichsweise gering aus. Ganz anders in den noch stark vergletscherten nördlichen und nordwestlichen Gebirgszügen, beispielsweise im Tienshan an der Grenze von China mit den zentralasiatischen Länder Kirgistan und Tadschikistan sowie im pakistanischen Karakorum. Dort wird eine Vervielfachung der Gletscherseen erwartet, die mit einer enormen Zunahme des Wasservolumens einhergehen könnte.
Auch die verschiedenen Klimaszenarien wirken sich unterschiedlich aus. „Dank dieser hochaufgelösten Modelle wird das Bild immer klarer und wir können genauer sagen, wo  Gletscherseen eine potenzielle Gefahr bilden werden. Es zeigt wiederum sehr deutlich: Es spielt eine entscheidende Rolle, ob die Welt einen nachhaltigen Weg einschlägt oder weiterhin ungebremst fossile Brennstoffe nutzt. Gletscher reagieren deutlich auf steigende Temperaturen, und die Seen bilden sich in einer wärmeren Welt vermehrt und schneller aus. Wir können aber noch gegensteuern“, so Fabien Maussion.

Die Ergebnisse sollen genutzt werden, um auf regionaler und lokaler Ebene zu untersuchen, welche dieser zukünftigen Seen besonders gefährlich werden könnten. Nur so sei es langfristig möglich, in Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort Anpassungsstrategien und Maßnahmen zu entwickeln, die helfen, den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen. Das Team liefert mit dieser Studie quantitative Aussagen mit genauer zeitlicher und räumlicher Auflösung zu einer Gefahr, die auch explizit im kürzlich veröffentlichten Bericht der Arbeitsgruppe II des Weltklimarates IPCC erwähnt wird. Im Kapitel 4 „Water“ wird auf die zu erwartende weltweite Zunahme der Gletscherseen verwiesen, einhergehend mit einem erhöhten GLOF-Risiko: https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2

Publikation:

W. Furian, F. Maussion und C. Schneider (2022): Projected 21st century glacial lake evolution in High Mountain Asia, Frontiers in Earth Science, doi: 10.3389/feart.2022.821798

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Kontakt

Fabien Maussion
assoz. Prof. Fabien Maussion
Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 54411
Mail: fabien.maussion@uibk.ac.at


Mag. Melanie Bartos
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 32021
Mobil: +43 676 8725 32021
E-Mail: melanie.bartos@uibk.ac.at