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Gletscherverlust für Jahrhunderte nicht umkehrbar

Der Langjökull-Gletscher ist einer der größten Gletscher Islands.
© Lilian Schuster
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Selbst bei einer potenziellen künftigen Stabilisierung des Klimas bleiben die Folgen der aktuellen Erderwärmung für Gletscher über viele Generationen hinweg spürbar. Das zeigen neue Modellierungen der Gletscherforscher:innen Lilian Schuster und Fabien Maussion von den Universitäten Innsbruck und Bristol: Eine zeitweise Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze führt zu deutlich stärkerem Gletscherschwund mit langfristigen Auswirkungen auf den Meeresspiegel.
Selbst bei einer potenziellen künftigen Stabilisierung des Klimas bleiben die Folgen der aktuellen Erderwärmung für Gletscher über viele Generationen hinweg spürbar. Das zeigen neue Modellierungen der Gletscherforscher:innen Lilian Schuster und Fabien Maussion von den Universitäten Innsbruck und Bristol: Eine zeitweise Überschreitung der 1,5-Grad-Grenze führt zu deutlich stärkerem Gletscherschwund mit langfristigen Auswirkungen auf den Meeresspiegel.

Eine neue Studie unter der Leitung der Universität Bristol (UK) und der Universität Innsbruck liefert erstmals globale Simulationen der Gletscherentwicklung bis zum Jahr 2500 unter sogenannten „Overshoot“-Szenarien – also Klimaverläufen, bei denen die Temperatur zeitweise über das Pariser 1,5°C-Ziel hinausgeht. Die heute im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlichte Untersuchung zeigt: Eine temporäre Überschreitung der 1,5°C-Marke auf bis zu 3°C, bevor es durch spätere Emissionsminderungen wieder zu einer Abkühlung kommen könnte, würde den Gletschern bis zu 16 Prozent mehr Masse kosten als in einem Szenario, in dem 1,5°C nie überschritten werden. „Die derzeitigen Klimapolitiken steuern auf rund 3°C zu“, sagt Fabien Maussion, assoz. Professor für Polare Umweltveränderung an der Universität Bristol. „Eine solche Welt ist für Gletscher deutlich schädlicher als eine, in der die 1,5°C-Grenze nie überschritten wird. Unsere Frage war: Können sich Gletscher überhaupt wieder erholen, wenn sich das Klima abkühlt? Die Antwort lautet, dass das zu unseren Lebzeiten oder jener unserer Kinder leider nicht möglich ist.“

Zwischen Jahrhunderten und Jahrtausenden

Die Forscherinnen und Forscher simulierten ein Overshoot-Szenario, in dem die globale Temperatur bis etwa 2150 auf 3°C steigt und erst bis 2300 wieder auf 1,5°C sinkt. Diese Entwicklung würde einer verzögerten Klimapolitik entsprechen. Das Berechnungsmodell OGGM, ein quelloffenes Werkzeug zur Simulation der weltweiten Gletscherentwicklung (außerhalb der großen Eisschilde) wurde dazu mit Klimaprojektionen der Universität Bern kombiniert. Die Ergebnisse zeigen: Im Overshoot-Szenario verlieren Gletscher bis 2200 etwa 16 Prozent mehr Masse und bis 2500 rund 11 Prozent mehr als in einer Welt ohne Überschreitung des 1,5°C-Ziels. Zusätzlich zu den 35 Prozent, die selbst bei Einhaltung dieses Ziels als „unvermeidlicher Verlust“ gelten. Dieses zusätzliche Schmelzwasser trägt erheblich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. „Unsere Modelle zeigen, dass es viele Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende dauern würde, bis große Gletscher sich nach einem 3°C-Overshoot erholen. Bei kleineren Gletschern, etwa in den Alpen, im Himalaya oder in den Tropischen Anden, ist eine Erholung frühestens bis zum Jahr 2500 denkbar – nicht aber für kommende Generationen“, sagt Lilian Schuster, Hauptautorin der Studie, vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck.

Neuartiges Phänomen

Wenn Gletscher abschmelzen, steigt die Wasserverfügbarkeit kurzfristig, ein Phänomen namens „Peak Water“. Regenerieren sich Gletscher später wieder, speichern sie Wasser in Form von Eis, was die Abflussmengen reduziert. Dabei handelt es sich um ein neues Phänomen, das die Forschenden als „Trough Water“, also eine Art Trogwasser, bezeichnen. „Unsere Studie zeigt, dass etwa die Hälfte der betrachteten Einzugsgebiete nach 2100 solche Trough-Water-Phasen erleben könnte“, so Schuster. „Obwohl es zunehmend schwieriger wird, das 1,5°C-Ziel zu erreichen, zeigen unsere Forschungsergebnisse, dass rasche Emissionsreduktionen von Treibhausgasen immer noch zur langfristigen Erhaltung von Gletschern und deren Wasserabfluss beitragen. Eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C würde im Vergleich zu einem temporären Überschreiten auf 3°C bis zum Jahr 2500 mehr als 10 Prozent mehr Gletschermasse bewahren“, verdeutlicht Lilian Schuster.
 
Vor dem Hintergrund des Internationalen Jahres zur Erhaltung der Gletscher 2025 verbinden die Autor:innen ihre Studie mit einem dringenden Appell an Politik und Gesellschaft: „Eine temporäre Überschreitung von 1,5°C zementiert den Gletscherrückgang für Jahrhunderte. Vieles davon lässt sich selbst bei späterer Abkühlung nicht rückgängig machen. Je länger wir mit der Emissionsreduktion warten, desto stärker belasten wir künftige Generationen mit unumkehrbaren Folgen.“

Publikation:
Schuster, L., Maussion, F., Rounce, D.R. et al. Irreversible glacier change and trough water for centuries after overshooting 1.5 °C. Nat. Clim. Chang. (2025). https://doi.org/10.1038/s41558-025-02318-w

PEAK – Klima, Biodiversität und Nachhaltigkeit im Fokus
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