08.09.2022 | 4 Bilder

Klimawandel bedroht Eishöhlen in Österreich 

Feldarbeiten in der Eisgruben Eishöhle © Christoph Spötl

Die Innsbrucker Forscher bei der Feldarbeit in der Eisgruben Eishöhle.

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Acht Eishöhlen in vier österreichischen Bundesländern: Ein Geolog*innen-Team der Universität Innsbruck dokumentiert in einer Studie erstmals umfassend die Eisverluste und -gewinne in alpinen Eishöhlen über die letzten 2000 Jahre. Der Geologe Tanguy Racine von der Universität Innsbruck warnt: Besonders das Eis kleinerer Höhlen droht in naher Zukunft zu verschwinden und mit ihm ein wertvolles Klimaarchiv. Die Studie wurde im Journal Scientific Reports veröffentlicht.

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Acht Eishöhlen in vier österreichischen Bundesländern: Ein Geolog*innen-Team der Universität Innsbruck dokumentiert in einer Studie erstmals umfassend die Eisverluste und -gewinne in alpinen Eishöhlen über die letzten 2000 Jahre. Der Geologe Tanguy Racine von der Universität Innsbruck warnt: Besonders das Eis kleinerer Höhlen droht in naher Zukunft zu verschwinden und mit ihm ein wertvolles Klimaarchiv. Die Studie wurde im Journal Scientific Reports veröffentlicht.

Weltweit gibt es mehrere tausend dokumentierte Eishöhlen, Österreich zählt zu jenen Ländern mit der größten Dichte an Eis führenden Höhlen – nur wenige allerdings sind detailliert untersucht. Ein Forscher*innen-Team der Universitäten Innsbruck und Belfast hat nun über die vergangenen Jahre acht schachtförmige Eishöhlen in Tirol, Steiermark, Oberösterreich und Kärnten eingehend analysiert und dabei einen vergleichenden Forschungsansatz gewählt. „Es gibt einige gute Studien zu einzelnen Eishöhlen. Wir wollten allerdings erstmals eine vergleichende Analyse erstellen und haben uns auf die Entwicklung mehrerer Höhlen fokussiert, die sich darüber hinaus auch in ähnlichen Settings befinden: ähnliche Höhenlage und eine steil bis vertikal abfallende Geometrie“, erklärt Tanguy Racine aus der Arbeitsgruppe für Quartärforschung rund um Christoph Spötl am Institut für Geologie. Er befasste sich in seiner Dissertationsarbeit eingehend mit der Thematik. Die Eiskörper der untersuchten Höhlen bilden sich aus festem Niederschlag: Schnee fällt und rutscht im Winter in die Höhle und wird dann in weiterer Folge zu Eis bei entsprechend niedrigen Temperaturen.

Eishöhlen und Gletscher mit ähnlicher Entwicklung

Mithilfe der Radiokarbon-Methode ermittelte das Team das Alter der oft viele Meter dicken Eisschichten in den Höhlen: „Um das Eis zu datieren, haben wir uns auf kleinste Einschlüsse von Holz in den Eisschichten konzentriert. Das Alter dieser Holzreste, die von außen in die Höhlen gefallen sind, lässt sich genau bestimmen“, erklärt Tanguy Racine die Vorgehensweise. Die große Datenbasis aus insgesamt 107 Datierungen von Holz-Einschlüssen aus dem Eis zeichnet ein genaues Bild der Zu- und Abnahme des Eises in den Eishöhlen – die so genannte Massenbilanz – und das über einen Zeitraum von bis zu 2000 Jahre in die Vergangenheit. Durch diese Vorgehensweise konnte das Team die Hypothese belegen, dass sich historisch dokumentierte Gletschervorstöße wie etwa in der „Kleinen Eiszeit“ auch im Zuwachs der Eismasse in Eishöhlen abbilden bzw. zeitlich zusammenfallen. „Wir können für den Zeitraum der letzten zwei Jahrtausende ein vergleichbares Auf und Ab der Eisentwicklung in Eishöhlen und Gletschern belegen. Für beide ist wesentlich, wie viel Schnee im Winter fällt und wie warm die Sommer sind. Die Ergebnisse zeigen uns auch, dass ein Großteil des unterirdischen Eises in Österreich aus der „Kleinen Eiszeit“ zwischen etwa dem 15. und 19. Jahrhundert stammt“, so der Geologe. 

Massive Rückgänge in den letzten Jahrzehnten

Für die jüngere Vergangenheit ist die Bilanz der Eishöhlen klar negativ: „Nicht nur Gletscher zeigen eine überdurchschnittlich negative Massenbilanz besonders in den letzten Jahrzehnten. Auch das Eis der Eishöhlen ist von den Folgen des Temperaturanstiegs und der rückläufigen Niederschlagsmengen stark betroffen“, sagt Tanguy Racine. „Wir sehen eine Geschwindigkeit des Eisrückgangs, die in keiner Periode in unserem Messzeitraum der letzten 2000 Jahre zu beobachten war. Um einige Beispiele zu nennen: Das Monitoring im Guffert Eisschacht in Steinberg am Rofan ergab einen Rückgang der Schneeoberfläche um fast drei Meter zwischen 2019 und 2021. Die Eisgruben Eishöhle am Sarstein in Oberösterreich hat innerhalb von 40 Jahren 10 Meter Eisdicke verloren. Der Eisverlust im Kraterschacht im Sengsengebirge Oberösterreichs beträgt 20 Meter in 20 Jahren“. Die Erklärung für diese Entwicklung ist analog zu den Gletschern der menschengemachte Klimawandel. „Besonders für die mittleren und kleineren Eishöhlen müssen wir davon ausgehen, dass sie in den nächsten Jahren bis Jahrzehnten massiv an Eismasse einbüßen oder sogar gänzlich eisfrei werden“, verdeutlich Racine. „Die Uhr tickt laut.“
Die Innsbrucker Forscher*innen planen in den kommenden Jahren gezielt Eisbohrkerne aus alpinen Eishöhlen zu entnehmen und diese gekühlt zu lagern, um die darin gespeicherte wertvolle Klimainformation langfristig für die Wissenschaft zu bewahren.

Die untersuchten Höhlen sind:
Tirol: Hundsalm Eis- und Tropfsteinhöhle; Guffert Eisschacht
Steiermark: Bärenloch Eishöhle; Tremml-Schacht
Oberösterreich: Eisgruben Eishöhle; Kraterschacht; Hochschneid Eishöhle
Kärnten: Großer Naturschacht
 
Publikation:
Racine, T.M.F., Reimer, P.J. & Spötl, C. Multi-centennial mass balance of perennial ice deposits in Alpine caves mirrors the evolution of glaciers during the Late Holocene. Sci Rep 12, 11374 (2022). https://doi.org/10.1038/s41598-022-15516-9

Arbeitsgruppe für Quartärforschung am Institut für Geologie der Universität Innsbruck: https://quaternary.uibk.ac.at/

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Feldarbeiten in der Eisgruben Eishöhle
6 000 x 4 000 © Christoph Spötl
Eisgruben Eishöhle Oberösterreich
6 000 x 4 000 © Christoph Spötl
Guffert Eisschacht in Tirol
6 000 x 4 000 © Christoph Spötl
Probenentnahme im Guffert Eisschacht
6 000 x 4 000 © Christoph Spötl


Kontakt

Tanguy Racine
Tanguy Racine, PhD
Institut für Geologie
Universität Innsbruck
E-Mail: Tanguy.Racine@student.uibk.ac.at

Univ.-Prof. Dr. Christoph Spötl
Institut für Geologie
Universität Innsbruck
E-Mail:
Christoph.Spoetl@uibk.ac.at
Web:
https://quaternary.uibk.ac.at/

Mag. Melanie Bartos

Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Universität Innsbruck
Tel.: +43 512 507 32021
Mobil: +43 676 8725 32021
E-Mail: melanie.bartos@uibk.ac.at
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